Wirtschaftsnobelpreis 1997: Robert Merton — Myron Scholes

Wirtschaftsnobelpreis 1997: Robert Merton — Myron Scholes
Wirtschaftsnobelpreis 1997: Robert Merton — Myron Scholes
 
Die beiden Amerikaner erhielten den Nobelpreis für die Entwicklung einer neuen Methode zur Bewertung von Finanzderivaten.
 
 Biografien
 
Robert Cox Merton, * New York 31. 7. 1944; 1967-70 Studium der Mathematik und Ökonomie, 1970-88 Lehrtätigkeit an der Sloan School of Management des Massachusetts Institute of Technology (MIT), seit 1988 Professor für Business Administration an der Harvard Business School in Boston (Massachusetts), Mitbegründer der Firma Long-Term Capital Management.
 
Myron Samuel Scholes, * Timmins (Kanada) 1. 7. 1941; ab 1961 Studium der Ökonomie, 1968-73 Lehrtätigkeit am MIT in Cambridge, 1976-83 Professor für Finanzwirtschaft an der University of Chicago, 1983-96 Juraprofessor in Stanford (Kalifornien), 1988 dort Professor für Finanzen an der Graduate School of Business, Mitbegründer der Firma Long-Term Capital Management.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
In modernen Marktwirtschaften schaffen Finanzmärkte die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen und Haushalte ihre Transaktionsrisiken auf ein angemessenes Maß begrenzen können, indem sich Marktteilnehmer finden, die bereit und fähig sind, bestimmte Risiken zu übernehmen. Optionen, Futures und andere Formen von Derivativen ermöglichen Marktteilnehmern, zukünftige Verluste auf eine bestimmte Höhe zu begrenzen beziehungsweise zukünftige Gewinne ab einem gewissen Niveau zu sichern. Solche Finanzinstrumente werden als Derivate bezeichnet, weil ihr Wert von den ihnen zugrunde liegenden Vermögenswerten wie Wertpapieren (Aktien, Obligationen), Indizes (zum Beispiel Deutscher Aktienindex DAX), Devisen oder Wirtschaftsgütern (Rohstoffe, Metalle), abgeleitet wird.
 
 Die Bewertung von Optionen
 
Eine Option verbrieft das Recht, jedoch nicht die Pflicht, gegen Zahlung einer Optionsprämie zu einem späteren Zeitpunkt Güter oder Wertpapiere zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option), und zwar zu einem bereits heute festgelegten Preis. Ein effizientes Management von Risiken setzt voraus, dass solche Finanzinstrumente richtig bewertet sind. Merton und Scholes entwickelten zusammen mit Fischer Black, der im August 1995 verstarb, eine Methode zur Bewertung von Optionen. Der Wert einer Aktienoption, also der Preis für das Recht, eine bestimmte Aktie zu einem späteren Zeitpunkt kaufen oder verkaufen zu können, hängt von der Entwicklung des Aktienkurses bis zum Verfallszeitpunkt der Option ab. Eine Kaufoption gewinnt bei steigendem Kurs des Underlying (Aktie) an Wert, während sich die Prämie der Verkaufoption reduziert. Sinkt der Aktienkurs bei einer Kaufoption unter den zuvor fest vereinbarten Ausführungspreis, wird die Option wertlos, das heißt, auf die Ausübung des Optionsrechts wird verzichtet — die Option verfällt. Das Problem bei der Optionsbewertung besteht nun darin, für die Kursrisiken eine korrekte Prämie zu definieren. Eine solche Prämie wird wiederum von der Risikoeinstellung (risikofreudig, -avers oder -neutral) der einzelnen Marktteilnehmer determiniert. Risikoeinstellungen verändern sich gegebenenfalls im Zeitablauf und sind nicht nur deshalb in der Realität kaum zu erfassen.
 
 Die Black-Scholes-Formel
 
Black, Merton und Scholes entwickelten ein Modell zur Bewertung von Optionen, bei dem die explizite Forderung nach einer Risikoprämie umgangen wird. Betrachtet man eine europäische Call-Option auf eine Aktie, die im Gegensatz zu einer amerikanischen Option nur zum Verfallszeitpunkt ausgeübt werden kann, mit einem Ausübungspreis von 50 Euro und einer Laufzeit von drei Monaten, so hängt deren Wert nicht nur vom Ausübungspreis (50 Euro), sondern auch vom Kurs des Underlying ab. Je höher der Aktienkurs heute ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kurs den Ausübungskurs von 50 Euro übersteigt. Ein Investor kann das Kursrisiko der Aktien in seinem Portfolio komplett absichern, indem er eine entgegengesetzte Position in Optionen einnimmt. Erhöht sich beispielsweise der Wert einer Option um 1 Euro, wenn der Aktienkurs um 2 Euro steigt, dann müsste ein Anleger für jede Aktie zwei Optionen verkaufen, um ein risikoloses Portfolio zu erzeugen. Die Rendite des eingesetzten Kapitals entspricht dann dem marktüblichen risikolosen Zinssatz einer dreimonatigen Festgeldanlage. Liegt die Rendite über der risikolosen Verzinsung, so setzt Arbitrage ein, die die Möglichkeit risikoloser Gewinnerzielung eliminiert. Bei jeder Aktienkursänderung und durch die Annäherung an den Verfallstermin muss die Zusammensetzung des Portfolios fortlaufend angepasst werden. Die Formulierung dieses Zusammenhangs ging in die von Black, Merton und Scholes aufgestellte »Black-Scholes-Formel« ein. Danach hängt der Optionswert von den Kursschwankungen beziehungsweise der Volatilität des Basiswertes (gemessen als Standardabweichung), der Restlaufzeit, dem Ausübungspreis, dem aktuellen Kurs des Underlying und dem Zinssatz ab. Der Wert einer europäischen Call-Option ist umso höher, je höher der aktuelle Aktienkurs, die Volatilität und der risikolose Zinssatz sind und je länger die Restlaufzeit, je niedriger der Ausübungspreis und je höher die Wahrscheinlichkeit der Ausübung sind. Die Wahrscheinlichkeit der Ausübung wird durch die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung wiedergegeben.
 
 Weitere Anwendungsgebiete
 
Derivate stellen einen Spezialfall der so genannten »contingent claims« (bedingte Verträge) dar. Dies ermöglicht die Anwendung des Bewertungsmodells auf eine breite Klasse von Finanzkontrakten. Mit dem Optionspreismodell können unter anderem Vorzugsaktien, Anleihen, Versicherungen und Garantieversprechen bewertet werden. Eine Garantieleistung kann entsprechend einer Option unter bestimmten, im Voraus spezifizierten Bedingungen in Anspruch genommen werden. Dasselbe trifft für Versicherungskontrakte zu. Darüber hinaus kann mit dieser Methode die Flexibilität von Ausrüstungsinvestitionen bewertet werden wie die Möglichkeit eines Wechsels zwischen verschiedenen Energieträgern, wenn sich der relative Preis zwischen Energien verändert. Hierbei wird die Flexibilität als Option betrachtet. Um die beste Investitionsauswahl treffen zu können, ist es notwendig, die Flexibilität korrekt zu bewerten.
 
Neben der oben beschriebenen Bewertungsmethode entwickelte Merton ein »dynamisches Capital Asset Pricing Model (CAPM)«, mit dem Konsum- und Investitionsentscheidungen über die Zeit untersucht werden können. Scholes forschte zusammen mit Merton Miller (Nobelpreis 1990) über die Auswirkungen der Dividendenpolitik auf den Marktwert von Unternehmen und beschäftigte sich unter anderem mit der Schätzung von Betawerten im Rahmen des CAPM.
 
 Gründung der Long-Term Capital Management
 
Myron Scholes und Robert Merton waren 1994 Mitbegründer des Hedge-Fonds Long-Term Capital Management (LTCM). Hedge-Fonds sind Investmentfonds, die kaum einer Regulierung unterliegen. LTCM war darauf spezialisiert, den theoretischen Preis für Finanzkontrakte zu bestimmen und bei Abweichungen zu den Marktpreisen Arbitragemöglichkeiten auszunutzen. Während in den ersten Jahren LTCM ein enormes Wachstum verzeichnete, verlor die Firma durch misslungene Zinsspekulationen an den asiatischen Märkten fast vier Milliarden US-Dollar. Der Zusammenbruch des Unternehmens konnte nur durch die finanzielle Unterstützung der amerikanischen Zentralbank und 16 weiterer Banken vermieden werden.
 
R. Fuess, G. Vorsatz

Universal-Lexikon. 2012.

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